Die Picardie: Somme und Salzlamm

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Die Picardie liegt zwischen den touristischen Hochburgen Normandie und Bretagne, und auch Paris ist nicht allzuweit. Selbst für die Franzosen ist diese Gegend daher als Reiseziel eher zweite Wahl, der warme Süden lockt stärker. Was die Tourismusmanager plagt, ist für den Reisenden von Vorteil: Die Gegend rund um Amines und die Somme-Mündung ist auch in der Hochsaison nicht überlaufen, Unterkünfte sind selbst im August noch zu bekommen. Dabei ist die Picardie eines der kleinen Schmuckstücke, von denen die französische Provinz voll ist. Die Picardie ist Frankreich pur, mit einem Hauch von Nostalgie.

Selbst der Badeurlaub kommt nicht zu kurz. Wenn sich der Atlantik auf Grund des großen Tidenhubs weit hinter den Horizont zurückzieht, dann werden in der Somme-Bucht weite Sandfläschen frei, die zum Wandern einladen. Eine vernünftige Zeitplanung ist allerdings notwendig, um nicht von der schnell einlaufenden Flut eingeschlossen zu werden.

Essen und Trinken: Neben Fisch und anderem Meeresgetier bietet das Somme-Delta einige besondere Spezialitäten. Die Gegend ist reich an Wildenten, und auf den regelmäßig vom Salzwasser überfluteten Weidegründen im Delta wächst das Salzlamm. Das besonders salzhaltige Futter gibt dem Fleisch der Schafe einen besonderen, unverwechselbaren Geschmack. Große Apfelplantagen liefern den Grundstoff für Cidre, der hier wie in den Nachbarregionen hergestellt und geschätzt wird.


Wer auf das Auto verzichten will und wem der ständige Wind vom Meer das Fahrradfahren verleidet, der kann die kleine Schmalspurbahn benutzten. Zwischen x und x verkehren historische Dampfzüge, die seit 1887 die Badeorte Cayeux-sur-Mer und Le Crotoy, einmal rund um die weite Bucht, der Somme-Mündung verbinden. Beschaulich schnaufen die kleine Züge durch dir Felder, regelmäßige Rangierarbeiten an den End- und Knotenpunkten der Linie sind für Kinder ein besonderes Vergnügen, eine Eisenbahn zum Anfassen. >In den Abendzügen locken weiß gedeckte Tische, Gourmetfahren verbinden die nostalgische Art des Reisens mit einem mehrgängigen Menü, bei dem lokale Gerichte serviert werden.

Wer länger auf schnelles Reisen verzichtet kann, dem stehen Hausboote zur Verfügung. Das Kanalnetz ist recht eng geknüpft und, wie überall in Frankreich in einem guten Zustand. Da die schiffbaren Flüsse und Kanäle früher einmal dem Warentransport dienten, führen sie meist mitten durch die Orte. Die Grundversorgung kann auf den lokalen Märkten beschafft werden, die Sehenswürdigkeiten sind oft direkt an der Anlegestelle. So kann auch Amiens angefahren werden, der kulturelle und adminstrative Mittelpunkt der Picardie.

Mitten in Amiens erstrecken sich entlang der Somme verschiedene Feuchtauen und ehemalige Gartenanlagen. Ein 300 ha großes Paradies am Wasser und ein großartiges Refugium für Fauna und Flora, über das Nisso Pelossof seit dreißig Jahren wacht.
Amiens –Hauptstadt der Region Picardie – gehört zu den ältesten und kunsthistorisch wertvollsten Städten Frankreichs. Wahrzeichen der Stadt ist vor allem die gotische Kathedrale Notre-Dame d´Amiens, die größte Kirche Frankreichs, die von der UNESCO als Weltkulturerbe eingestuft wurde. Am Fuß der Kathedrale, auf der anderen Seite der Sommes, werden die Besucher vom Stadtviertel Saint-Leu überrascht, das einst von Ludwig XI. „ kleines Venedig des Nordens“ genannt wurde. Im Mittelalter war es das Viertel der Weber, Färber und Gerber; heute wird es das Quartier Latin von Amiens genannt wegen der einladenden Cafés, Restaurants, der kleinen Läden und eines multikulturellen Publikums. Ein berühmter Adoptivsohn der Stadt ist Jules Verne, der hier mehrere Jahre gelebt hat. Sein Wohnhaus kann heute besichtigt werden. Einige Gehminuten von der Innenstadt entfernt, trifft der Besucher auf ein einmaliges Naturerlebnis: eine Bootsfahrt durch die schwimmenden Gemüsegärten der Stadt. Dort schlägt das grüne Herz von Amiens: die „Hortillonnages“.


„Les Hortillonnages“, ein sich ständig erneuerndes Gebiet, berührt alle Sinne der Besucher. Zunächst überrascht der Geruch des Feuchtgebietes, in dem die Fische von Somme und Avre ideale Laichbedingungen vorfinden. Dann zieht auch der Duft von frischem Gras, Blumen und Kräutern über das Gelände. Spaziergänger fühlen sich hier trotz der Nähe von vier Städten wie in einer verwunschenen Abgeschiedenheit, in der fast nur die Geräusche von Tieren und Vögeln zu vernehmen sind. In diesem ehemaligen Gartenbaugebiet finden sich noch einige nostalgische Schrebergärten. Liebevoll bearbeiten hier Gartenliebhaber ein Fleckchen Erde rund um ihre Hütte. Mit einer Barke durch dieses Gebiet zu gleiten, die etwas geheimnisvolle Atmosphäre zu genießen, versetzt einen in eine andere Welt. In der Stille dieser Natur verstummt plötzlich die hektische Umtriebigkeit des Alltags und macht Platz für ein Gefühl von Ausgeglichenheit und Entspannung. Aus diesem Grund zieht es viele Besucher aus nah und fern in die „Hortillonnages“. Zwischen April und Oktober kamen mehr als 100.000 Besucher aus Europa, aber auch aus Japan und USA. Naturliebhaber begeistern sich für die zahlreichen Vogelarten, darunter Graureiher, Schwäne oder Wasserhühner. Viele Besucher sind Stammgäste, denn von Frühjahr bis Herbst sind die Farben nie die gleichen. Diese Garten- und Naturlandschaft zeigt sich immer in einem anderen, reizvollen Bild. „Les Hortillonnages“ zeugen von einer liebevollen Pflege der Natur, was jeder Besucher sofort verspürt.
Am zweiten Juni-Wochenende wird jedes Jahr ein traditionelles Fest am Ufer des Stadtviertels Saint-Leu gefeiert. Die alten Kähne werden aus dem Lager geholt, die Gärtner ziehen die alten traditionellen Kleider aus dem Schrank ihrer Vorfahren an. So verkaufen Sie das Gemüse auf einer Art Wassermarkt.

Text und Bilder: Dieter Roßbach